Gefangen im Ewigen Eis
Eisige Winde fegen über die endlosen Weiten des antarktischen Eisschildes. Schützend hält sich ein Mann die Hand vors Gesicht, um es einen kurzen Moment vor dem schneidenden Frost zu schützen. Ernest Shackleton wusste, auf was er sich einließ – schließlich ist die Endurance-Expedition schon die dritte von ihm geleitete Forschungsreise in die Antarktis. Nie zuvor stellten sich die Bedingungen allerdings als so widrig heraus und nie zuvor war die Rückkehr so ungewiss.
Das Goldene Zeitalter der Antarktis-Forschung
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gab es nur noch wenige unerforschte Gebiete auf der Landkarte. Die Lage und Ausdehnung des antarktischen Kontinents galt als eine der letzten großen Fragen.
Bis in die 1920er Jahre brachen daher Naturwissenschaftler und Geographen aus acht Ländern zu Expeditionen ins Ewige Eis auf. Eine der bekanntesten Forschungsreisen dieser Zeit war die des Norwegers Roald Amundsen. Er erreichte 1911 den geographischen Südpol.
Auch der britische Polarforscher Ernest Shackleton ging in die Geschichte ein. Seine Nimrod-Expedition 1907 war die erste, die den magnetischen Südpol erreichte. Rund 10 Jahre später machte er seinen Namen auf der Endurance-Expedition unsterblich.
Der Südpol ist der südlichste Punkt unserer Erde. Er liegt bei 90° 0′ 0″ südlicher Breite ...
Der südliche Pol des Erdmagnetfelds befindet sich in der Ostantarktis, über 2500 km vom ...
Die Endurance-Expedition (1914–1917)
Im Rahmen dieser Reise wollte Shackleton den antarktischen Kontinent auf seiner gesamten Länge durchqueren. Er plante, diese Unternehmung mit zwei Gruppen auf zwei Schiffen durchzuführen.
Die erste Gruppe, zu der auch Shackleton selbst gehörte, sollte im Dezember 1914 auf der „Endurance“ von Südgeorgien aus zur Vahsel-Bucht segeln. Die zweite Gruppe sollte an Bord der „Aurora“ von Tasmanien aus zur gegenüberliegenden Seite reisen und zwischen dem McMurdo-Sund und dem Beardmore-Gletscher zahlreiche Depots anlegen.

rot: Anreise in die Antarktis von Südgeorgien bzw. Tasmanien aus
weiß: geplante Route zur Durchquerung des antarktischen Kontinents
blau: Drift der „Endurance“ bis zu ihrem Untergang
gelb: Strecke, welche die Mannschaft der „Endurance“ im Rettungsboot zurücklegte
orange: Rückreise im Rettungsboot nach Südgeorgien bzw. an Bord der „Aurora“ nach Neuseeland
Die Unglücksfahrt der „Endurance“
Bereits am zweiten Tag nach der Abreise aus Südgeorgien war die Mannschaft der „Endurance“ aufgrund von Drifteis zu Umwegen gezwungen.
Stellenweise war die Eisdecke so dicht, dass sich die Weiterfahrt um mehrere Tage verzögerte und nur unter Aufbietung aller Kräfte möglich war: Die Besatzung musste das Eis mit Stangen, Meißeln und Hacken in Handarbeit beseitigen.
Erst Mitte Januar 1915 konnten die Männer antarktisches Festland ausmachen. Sie waren noch so weit von der Vahsel-Bucht entfernt, dass sie nicht daran dachten, eine Landung vorzubereiten.
Das Eis wurde jedoch auf dem Weg nach Süden immer dicker – mehrere Ausweichmanöver und harte körperliche Arbeit konnten nicht mehr verhindern, dass die „Endurance“ schließlich vollkommen im Eis eingeschlossen wurde.
Um Fitness und Moral aufrecht zu erhalten, organisierte Shackleton Fußball-Turniere und Hundeschlitten-Rennen. Ende Juli 1915 dann ein erster Lichtblick: Das Eis brach an manchen Stellen auf, in den folgenden Tagen sogar so weit, dass die „Endurance“ sich frei schwimmen konnte.
Das schmelzende Eis barg jedoch eine altbekannte Gefahr. Riesige Schollen mit klaffenden Rändern wurden gegeneinander gedrückt und drohten, das Schiff irreparabel zu zerstören.
So liest man in den Aufzeichnungen Shackletons: „Die Wirkung des Drucks um uns herum war ehrfurchtgebietend. Mächtige Eisblöcke […] stiegen langsam hoch, bis sie wie zwischen Daumen und Zeigefinger geklemmte Kirschkerne wegflogen […] wenn das Schiff einmal fest in den Griff des Eises geriete, wäre sein Schicksal besiegelt.“
Lange hielten Schiff und Mannschaft der ungewissen Situation stand. Am 24. Oktober bog sich die Bordwand schließlich unter dem Druck der Eismassen und brach entzwei, Wasser lief in den Bauch des Schiffes und alle Versuche, das Holz auszubessern und das eindringende Wasser abzupumpen, scheiterten.
Mit dem Verlust des Schiffes, war nun auch die Aussicht auf eine erfolgreiche Expedition dahin. Glücklicherweise war das Wrack der „Endurance“ noch eine Zeit lang zwischen den Schollen eingekeilt, sodass es gelang, genügend Proviant und drei Rettungsboote zu sichern.
Als neues Ziel wurde die Snow Hill Island bestimmt, von der aus man hoffte, zu einer Walfang-Basis in der Wilhelmina-Bucht zu gelangen. Die Entfernung betrug rund 520 km für die erste Etappe und 200 km für die zweite.
Zweimal versuchte die Mannschaft, in Richtung Norden zu marschieren, zweimal brachen sie ihr Vorhaben nach wenigen Tagen ab. Der Weg über das Packeis war zu beschwerlich. „Wir bräuchten über 300 Tage, um das Land zu erreichen“, so Shackleton. Auf einer Eisscholle wurde ein notdürftiges Camp errichtet, in dem die Unglücklichen dem Aufbrechen des Eises harrten.
Rückkehr in die Zivilisation
Shackleton kannte die Bedingungen in der Antarktis. Er wusste, dass die Drift, die zuvor das Schiff bewegt hatte, nun auch das Camp auf der Eisscholle unaufhaltsam Richtung Norden trieb. Die bisher möglichen Ziele waren alle in weite Ferne gerückt.
Als die Eisscholle, auf der sich das Camp befand, im April 1916 zerbrach, wurden alle drei Rettungsbote zu Wasser gelassen. Sie kamen nur langsam voran, da das Drifteis immer noch sehr dicht war. Eine Woche später gelang wie durch ein Wunder die Landung auf Elephant Island – der letzten Insel vor dem offenen Meer.
Die Insel war unbewohnt und lag nicht an gängigen Walfangrouten. Dennoch bot sie Festland – und damit deutlich bessere Bedingungen für ein Camp. Schnell wurde eines der Rettungsboote verstärkt und für die Überfahrt nach Südgeorgien tauglich gemacht.
Am 24. April 1916 startete Shackleton mit wenigen Auserwählten zur letzten Etappe seiner Fahrt. In etwas mehr als zwei Wochen erreichte er Südgeorgien, von wo aus ein Rettungstrupp für die auf Elephant Island verbleibenden Crew-Mitglieder organisiert werden konnte.
Die Fahrt der „Aurora“
Nicht wissend, in welches Schicksal ihre Mitstreiter geraten waren, gelang der Besatzung der „Aurora“ die Landung im McMurdo-Sund. Sie legte die erforderlichen Depots unter großen Mühen an und war damit die einzige Gruppe, die den originalen Plan der Expedition erfüllen konnte – wenn auch umsonst. Die Durchquerung des antarktischen Kontinents von der Vahsel-Bucht zum McMurdo-Sund gelang erst mehr als 40 Jahre später.Antarktis-Expeditionen heute
Eine Expedition zum Südpol ist und bleibt für viele ein Traum. Für alle, die ihren Traum verwirklichen möchten – und die bereit sind, dies bei äußersten Minusgraden zu tun – gibt es professionell geführte Touren ins Ewige Eis.
Mit Skiern und Zugschlitten erkundet ihr den antarktischen Eisschild und macht euch auf zum südlichsten Punkt der Erde oder zum Gipfel des Mount Vinson, der höchsten Erhebung des antarktischen Kontinents.
Geschichte auf Karte entdecken
- 5 Verknüpfte Inhalte
Der Südpol ist der südlichste Punkt unserer Erde. Er liegt bei 90° 0′ 0″ südlicher Breite ...
Der südliche Pol des Erdmagnetfelds befindet sich in der Ostantarktis, über 2500 km vom ...
- 5 Verknüpfte Inhalte
Fragen & Antworten
Hier kannst du gezielt Fragen an den Autor stellen.
Bewertungen
Gib die erste Bewertung ab und hilf damit anderen.
Fotos von anderen