Moosbewachsene Felsbrocken, versteinerte Gigantenbäume und tiefgründige Seen. NORR-Redakteurin Karen Hensel begibt sich mit ihren Freunden auf den Skåneleden und wandert durch die Wildnis Skånes auf den Spuren von Riesen und Urzeitbewohnern.
Der sattgrüne Zauberwald öffnet seine Tore und gewährt uns Einlass in seine geheimnisvollen Tiefen. Mit jedem Schritt wandern Jean-Luc, Justin und ich weiter in eine verwunschene Sagenwelt.
Keiner von uns dreien kann sich so recht vorstellen, wie wild Schwedens südlichste Provinz wirklich sein kann. Wir wollen es erfahren und heute auf 13 km von Bökestad am See Raslången bis nach Brotorpet am See Immeln wandern.
Die Strecke ist eine Etappe des 367 km langen Küste-zu-Küste-Weges, der von Sölvesborg im Osten bis zur Bjärehalvön im Westen Skånes verläuft. Der Trail gehört zu einer der fünf Teilstrecken des Skåneledens, einem rund 1000 km langen Wanderwegsystem.
Orange Ringe an Bäumen und Pfählen kennzeichnen den Pfad, dem wir nun aufmerksam folgen, mit dem schleichenden Gefühl, am Beginn einer Reise durch eine andere Zeit zu stehen.
Auf verschlungenen Steigen geht es entlang des Sees Raslången, der sich mit seinen unzähligen kleinen Buchten wie der Schatten eines schlafenden Riesen in die Landschaft schmiegt.
Vor vielen Millionen Jahren, als das Klima auf der Erde wärmer war als zu heutiger Zeit, wuchsen an seinen Rändern gigantische Kiefern, verwandt mit den Riesenmammutbäumen in Kalifornien.
Wir halten Ausschau nach den versteinerten Überresten der Hünenbäume, deren Fossilien an der westlichen Seite zu finden sein sollen.
An einer Lichtung setzen wir uns auf die von der Sonne erwärmten Felsen. Eigentlich wollten wir uns den Kaffee in unserer Thermoskanne und die Zimtschnecken, die wir für eine stärkende Rast im Gepäck haben, für später aufsparen. Aber wir können nicht widerstehen und fallen über unser süßes Picknick her.
Der Skåneleden schwenkt vom Ufer des Sees ab. Ins Gespräch vertieft, verpassen wir um ein Haar eine versteckte Abzweigung. Gerade noch entdeckt Justin den orangefarbenen Ring an einer Buche, die uns von der Piste weg auf einen schmalen verwachsenen Pfad lockt.
Stämme und Steine sind in Moos gekleidet. Verwucherte Mauern aus Geröll tauchen aus dem Nichts am Wegesrand auf. Es duftet nach Tannennadeln und süßem Harz.
Säulenartige Fichten türmen sich vor uns auf. Ihre unwirklichen Formen erinnern an mit Netzen versehene Weihnachtsbäume. »Nie hätte ich gedacht, dass das hier so aussehen könnte. Wie aus einem Fabelbuch«, sagt Jean-Luc. Schritt für Schritt wandern wir durch diese mystische Landschaft und nähern uns allmählich dem See Immeln.
Der Immeln ist einer der größten Seen Skånes. Während der Kreidezeit war Nordost-Skåne mit Wasser bedeckt. Kalkalgen und Muschelkrebse, deren Schalen und Skelette auf den Boden sanken, bildeten eine Kreideschicht.
Als Überbleibsel dieser Zeit lassen sich am Ufer des Immeln noch heute kleine Kreidestücke finden. Auch Haie bevölkerten zu dieser Zeit die schwedischen Seen. Im Ablaufkanal zwischen Raslången und Immeln wurden Zähne des Raubfisches entdeckt.
Am kleinen Sandstrand Brotorpet befindet sich das Ende unserer Etappe. »Das ist ein magischer Ort. Hier wollen wir die Nacht verbringen«, sagt Justin.
Wir entdecken eine gemütliche Windschutzhütte mit Feuerstelle, Holzscheiten und Wasserpumpe – entscheiden uns aber dennoch dafür, direkt am Strand zu zelten. Wir springen in den See und schwimmen weit hinaus. Es ist das Gefühl von Freiheit, das uns bei jedem Schwimmzug überkommt. Auf den Steinen am Ufer essen wir dann zu Abend, während langsam die Nacht hereinbricht.
Noch lange sitzen wir hier draußen und blicken andächtig in den Himmel. Für das Universum sind wir unbedeutend. Skåne aber hat unseren eigenen Horizont erweitert, uns auf seinen magischen Wegen durch eine Welt vieler Zeiten geführt und ein Stück seiner Wildnis auch in uns hineingezaubert.
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